Führungsstile

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Deine WiWö beobachten und erleben natürlich auch, wie du in der Heimstunde mit ihnen umgehst. Du bist als WiWö-LeiterIn für die Heimstunde verantwortlich. Das heißt, dass letztlich alles was in der Heimstunde passiert, in deiner Hand liegt. Du sagst wann die Heimstunde beginnt, wann sie endet, welches Spiel jetzt dran kommt und wie es genau geht. Die Art und Weise wie du diesen Job erledigst, beschäftigt uns jetzt. Es gibt nämlich grundsätzlich unterschiedliche Arten, diese Aufgabe an zu gehen. Man spricht von so genannten "Führungsstilen"". Auch hier haben sich WissenschaftlerInnen damit beschäftigt, ob es günstige bzw. ungünstige Formen des Führungsverhaltens gibt.

Ein – sehr bekannter - Ansatz zur Beantwortung dieser Frage geht davon aus, dass es drei Führungsstile gibt:

  • Autoritäre (autokratische) Führung
  • Demokratische Führung
  • Laissez-Faire Stil

Der autoritäre Führungsstil

Typische Merkmale:

  • Alle Aktivitäten der Kinder werden von der Leitung bestimmt.
  • Die Leitung gibt Befehle und Kommandos (etwa 60% der Tätigkeit).
  • Die Leitung übernimmt für alle Tätigkeiten der Kinder die volle Verantwortung.
  • Die Leitung lobt und tadelt häufig personenbezogen.
  • Die Haltung der Leitung ist der Gruppe gegenüber eher freundlich aber auch unpersönlich.
  • Den Kindern ist ihr zukünftiges Tun meist nicht bekannt.
  • Die Leitung bestimmt die Gruppenzugehörigkeit der Kinder.
  • Die Leitung ergreift keine extremen autoritären Maßnahmen wie Drohungen oder Einschüchterungen.

Bei wissenschaftlichen Versuchen zeigen Gruppen, die rein autoritär geführt werden, eine verminderte Vielfalt an Verhaltensweisen und Äußerungen. Teilweise werden aggressive Tendenzen beobachtet, sofern sie nicht von der Leitung unterbunden werden. Die Aggression ist dabei hauptsächlich gegen Gruppenmitglieder, seltener gegen die Leitung gerichtet. Unterdrückte Feindseligkeiten richten sich zum Teil gegen schwächere Gruppenmitglieder. Spontaneität und Kreativität in den Gruppen sind meist eingeschränkt, gearbeitet wird nur auf Anregung der Leitung. Wörter wie "ich", "mein" und "mir" dominieren vor "wir" oder "unser" (82 % des Sprachverhaltens sind ich-bezogen). Die Kinder in solchen Gruppen sind auf die Leitungsperson fixiert, ist sie nicht anwesend oder kommt sie zu spät, dann nimmt die Arbeitsaktivität erheblich ab oder wurde nicht aufgenommen.

Der demokratische Führungsstil

Typische Merkmale:

  • Die Leitung gibt der Gruppe einen Überblick über die Gesamttätigkeit und das Ziel.
  • Alle wichtigen Entscheidungen werden in der Gruppe diskutiert.
  • Die Leitung unterstützt und ermutigt aktiv die Gruppenmitglieder.
  • Jeder kann mit wem er will zusammenarbeiten, die Aufgabenverteilung unterliegt der Verantwortung der Gruppe.
  • Lob und Tadel erfolgen sachbezogen.
  • Bei technischen Problemen gibt die Leitung immer mehrere Lösungsmöglichkeiten. Die Auswahl und Entscheidung liegt dann bei den Kindern.
  • Die Leitung versteht sich als richtiges Gruppenmitglied (ohne sich allerdings besonders an der Arbeit zu beteiligen, nur 25% ).
  • Die Leitung ist zu persönlichen Gesprächen mit den Kindern über ihre Probleme bereit.
  • Die Gruppenarbeit wird nicht durch Befehle oder Kommandos unterbrochen.

Demokratisch geführte Gruppen zeigen bei Untersuchungen ein höheres Maß an kreativen Verhaltensweisen und konstruktiven Arbeitsergebnissen. Die Atmosphäre ist entspannter und die Kinder sind zufriedener. Feindseligkeiten sind seltener, einzelne Gruppenmitglieder werden nicht zu Sündenböcken abgestempelt. Es bilden sich stabile Untergruppen, deren Arbeitsergebnisse weitgehend optimal sind. Die Gruppen arbeiten auch dann, wenn der/die LeiterIn den Raum verlässt oder zu spät kommt. Schwierigkeiten werden von der Gruppe gemeinsam bewältigt, und es wird nicht versucht, ein einzelnes Kind dafür verantwortlich zu machen.

Der Laissez-Faire Stil

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Typische Merkmale:

  • Die Leitung verhält sich weitgehend passiv, er/sie macht nur minimale Vorgaben.
  • Die Rolle der Leitung beschränkt sich weitgehend auf das Anbieten unterschiedlicher Materialien.
  • Die Leitung versichert, dass sie Informationen und Hilfe geben wird.
  • Die Arbeitsergebnisse werden kaum bewertet.
  • Die Leitung beteiligt sich nicht an Arbeitsgruppen.
  • Die Leitung verhält sich freundlich aber neutral zur Gruppe.

Die nach dem Laissez-Faire Stil geführten Gruppen zeigen häufig ein planloses und wenig zielstrebiges Verhalten. Häufig werden Vorschläge unterbreitet, die aber mangels einer ausreichenden Mehrheit nicht verwirklicht werden. Entsprechend oft machen sich in der Gruppe Enttäuschung und Gereiztheit breit. Die daraus entstehenden Aggressionen entladen sich dann oft auf die Gruppenmitglieder. Die Beziehung der Gruppenmitglieder entwickelt sich nur locker und ist in der Regel instabil. Die Gruppe selbst ist mit der Leitung oft unzufrieden. Wenn diese den Raum verlässt, wird meist von einem Gruppenmitglied Leitung übernommen. Dabei kann sogar ein Ansteigen der Arbeitsaktivität beobachtet werden.

Alle drei Stile stellen natürlich Extremformen dar. Wenn jemand ein Gruppe Kinder leitet, wird er/sie nicht einen Stil in Reinform verwenden sondern eine Mischung aus allen dreien. Sicher aber zeigen sich Tendenzen zu dem einen oder anderen Stil – beobachte dich einmal selbst! Wir wollen dir hier auch vermitteln, dass es keinen allgemein günstigen Führungsstil gibt. Der demokratische Führungsstil ist sicherlich anzustreben – vor allem wenn du das Ziel der PPÖ ("junge Menschen zu bewussten Staatsbürgern und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu erziehen") beachtest. Gerade bei den WiWö wirst du aber oft den autoritären Stil benötigen – wenn ihr euch z.B. in einer gefährlichen Situation befindet. Denn du bist ja letztendlich für die Gruppe verantwortlich. Das Führungsverhalten muss sich also an den konkreten Gegebenheiten der Gruppe und an der besonderen Situation, der Umgebung oder der derzeitigen Aufgabe orientieren. Bemühe dich aber, die drei Stile bewusst ein zu setzen, überlege dir warum du in welcher Situation welchen Stil anwendest und begründe dies gegebenenfalls auch deinen WiWö. Andere WissenschaftlerInnen beschreiben Führungsverhalten mit zwei Dimensionen:

Emotionale Dimension

Wie viel Wertschätzung, Freundlichkeit, emotionale Wärme und Zuwendung wird im Führungsverhalten zum Ausdruck gebracht? (Anerkennung schenken, rücksichtsvoll umgehen, den WiWö vertrauen, nachsichtig sein, die WiWö ermutigen, ...) Oder wie viel Geringschätzung und Kälte? (misstrauen, strafen, anschreien, drohen, ausschließen, bloßstellen, ...)

Lenkungsdimension

Wie viele lenkende und kontrollierende Aktivitäten beinhaltet das Führungsverhalten? (kontrollieren, befehlen, verbieten, ...) Oder wie viele wenig lenkende? (anderen Selbstbestimmung und persönliche Freiheit gewähren) Diese beiden Dimensionen können gemeinsam in einem Koordinatensystem dargestellt werden. Damit ergeben sich vielfältige und differenzierende Möglichkeiten, Führungsverhalten zu beurteilen.

Die drei Führungsstile im Wertschätzungs/Lenkungs-Diagramm

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In diesem System siehst du, dass die drei oben vorgestellten Führungsstile (autoritär, demokratisch, Laissez-Faire) eigentlich nur drei Punkte auf einem weiten Feld von möglichem Führungsverhalten sind.

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Beispiele und Tipps

  • Wenn sich in deinem Heimabend oder auf dem Lager eine gefährliche Situation anbahnt, dann wird es notwendig sein, dass du den autoritären Führungsstil anwendest.
  • Geht es um die Abmachung von Regeln, so ist es wichtig, dass du sie gemeinsam mit deinen WiWö erarbeitest (demokratisch).
  • Hast du mit deinen WiWö Regeln ausgemacht und sie auf die Konsequenzen bei Nichteinhaltung aufmerksam gemacht, wird es notwendig sein, dass du bei einem Regelverstoß autoritär reagierst, sonst wirst du unglaubwürdig!
  • Bist du mit deinen WiWö auf Lager, so brauchen die Kinder auch einmal Zeit für sich selbst. Lasse sie ruhig einmal eine Stunde selbst entscheiden, was sie machen (laissez-faire).
  • Glaube nicht, dass du immer alles wissen musst und souverän über allen Dingen stehen musst. Gib zu, dass du manches nicht weißt! Ehrlichkeit wird von deinen WiWö sehr geschätzt! (hohe Wertschätzung)
  • Sind dir einmal deine Nerven durchgegangen und musstest du ein Kind anschreien, dann sprich mit ihm darüber, entschuldige dich bei ihm!

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